Heute, am 15. November 2014, nachdem ich erfolgreich den Mittagsschlaf beendet habe, möchte ich damit anfangen niederzuschreiben, was aus den Personen wurde, die ich in meinem Buch erwähnt habe. Von einem Teil davon weiß ich es, weil sie aus Alterkülz sind oder in unserer Gegend gewohnt haben. Von den anderen erfuhr ich es nach über 500 Telefonaten, die ich in ganz Deutschland und bis nach Hongkong geführt habe. Was ich dabei erlebt habe, versuche ich hier aufzuschreiben. So, jetzt geht's los. Seite 17 Die Abbildung auf Seite 17. Meine Mutter Anna. Sie starb 1972 und wurde 68 Jahre alt. Mein Vater Wilhelm lebte bis 1974 und starb mit 76 Jahren. Der dritte auf dem Bild bin ich. Ich bin jetzt im Jahre 2014 85 Jahre alt und lebe immer noch. Das Sprichwort heißt: Unkraut vergeht nicht! Ich lebe nach dem Wahlspruch: Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist! Meine Großmutter Katharina wurde 77 Jahre alt und starb 1947. Sie war eine gutmütige Frau, die mich bei vielen Streichen, die wir so anstellten, meinen Eltern gegenüber deckte. Zum Beispiel. Als wir in der "Franzosenzeit" kurz nach dem Krieg in der Osterkülzbach in den Kümpeln mit Handgranaten Fische fingen (damals stand auf Waffenbesitz die Todesstrafe), brachten wir die Fische zu meiner Großmutter, die sie uns briet. Sie hatte Angst, wenn wir zu sonst jemandem gingen, es käme heraus. Mit weinerlicher Stimme sagte sie, wie immer, wenn ich etwas getan hatte, was nicht in Ordnung war: "Du endest noch am Galgen!" Bis jetzt ist es noch nicht geschehen. Es ist aber noch nicht aller Tage Abend. Auch wenn wir als junge Burschen mal einen über den Durst getrunken hatten und es mir schlecht ging, dann kochte sie mir immer ein gutes steifes Hafersüppchen. Mein Großvater Jakob, der aus Weyhe, wurde 77 Jahre alt, er starb 1942. Als ich so 5 oder 6 Jahre alt war, da spielte er oft mit mir in unserer Stube Fußball ... bis er mit einem Volltreffer eine Glasfigur in Scherben schoss. Er war es, der mit meiner Großmutter (die aus Wächtersch stammte) auf das Grundstück, das er als Erbe bekam, unser Haus samt Scheune und Stallungen baute. Seite 18 Peter Berg war der Opa von Hans-Dieter Mayer. Sie hatten gegenüber einen Kolonialwarenladen und eine Gastwirtschaft. Er hatte schon 1932 ein schweres Motorrad. Er verunglückte damit tödlich in den Moselbergen, als er zur Mosel unterwegs war, um Kirmeswein zu kaufen. Klara Berg war die Schwester meiner Mutter Anna (die aus Humes stammte), die Otto Patt, den Bruder meines Vater, geheiratet hatte. Klara starb 1992 und wurde 85 Jahre alt. Meine Humes Oma Marie stammte aus Leideneck und war die Schwester von Jan Schneiders Urgroßmutter (Jan spielte die Hauptrolle im Edgar-Reitz-Film "Die andere Heimat"). Ich ärgerte sie oft. Zum Beispiel mit dem Spruch: "Marie, koch die Brüh! Koch sie nicht so dick, dass der Phillipp nicht verstrickt!" Sie starb 1965 im Alter von 85 Jahren. Jan Schneider in "Die andere Heimat" Mein Großvater Phillipp, Ihr Mann, saß, solange ich mich erinnern kann, immer im Holzsessel in ihrer Stube. Er bewegte sich nur, wenn er zum Essen an den Tisch kam. Er war immer schlecht gelaunt, bedingt durch seine Krankheit. Er japste immer nach Luft. Dadurch konnte er uns Kinder nicht leiden. Kaum hatten wir die Tür berührt, rief er schon: "Zu!" Das Wort hatte ich bestimmt einige hundert Male von ihm gehört. Er wurde 70 Jahre alt und starb 1945, als ich in Waldalgesheim im Wehrertüchtigungslager war. Den Kranzkuchen von seiner Beerdigung, zu der ich nicht kommen konnte, brachte mir mein Vater mit nach Waldalgesheim, wo er mich am Tag vor unserer Rhein-Überquerung besuchte. Johann Kinzig, unser Perler Flüchtling, hatte ihn dort hingebracht. Er war Kreisfeuerwehrführer von Saarburg. Dadurch hatte er ein schweres Motorrad. Peter, der Bruder meines Humes Opas, war nicht verheiratet. Er war ein gutmütiger Zeitgenosse, der nicht so ganz gewitzt war. Nach allem, was er erzählte, war immer der Schlusssatz: "Do honn'se gelacht!", egal, ob er von einer Hochzeit oder von einer Beerdigung sprach. Im Gegensatz zu meinem Großvater gab er sich viel mit mir ab und erzählte mir viele nichtssagende Geschichten. Das gefiel mir als kleiner Knirps. Zum Missfallen meiner Oma sagte ich immer: "Der Onkel ist mir am allerliebsten, auch wenn ich nichts von ihm bekomme." Er war ziemlich geizig, obwohl er Geld hatte, denn er war jahrelang Stierpfleger und Gemeindediener. Mit einer Ortsschelle ging er durchs Dorf und rief alle Bekanntmachungen aus, die heute im Amtsblatt stehen. Wenn der Händler aus Winterbach etwa alle paar Monate mit Ölen und Fetten ins Dorf kam (er war auf dem ganzen Hunsrück als "Fett-Peere" bekannt), musste Humes Unkel ausschellen. Er schellte überall: "Dä Fett-Peere is do!", doch wenn er in die Nähe kam, wo dieser seinen Stand aufgeschlagen hatte, rief er: "Der Mann aus Winterbach is do!" Der Unkel war ein starker Priemer (Kautabak-Kauer). Ehe er sich zum Essen setze, nahm er mit zwei Fingern den Priem aus dem Mund und legte ihn hinter sich auf die Speichertreppe. Nach dem Essen nahm er ihn wieder mit zwei Fingern ein. Manchmal ließ er mich auch daran lecken. Unkel, wie ihn auch jedes Kind im Dorf rief, war genau wie mein Großvater klapperdürr. Ich kann mich noch gut erinnern. In seiner letzten Zeit seines Lebens saß er oft am Tag auf dem Klo, der auf dem Hof stand. Dann sagte er immer: "Ich sinn weich im Läib!" Sein Damen-Fahrrad war sein Heiligtum. Es stand immer fein geputzt auf seinem Schlafzimmer. Er benutze es kaum. Nur einmal im Jahr benutze er es, um seinen Bruder Adam, der nach Altweidelbach verheiratet war, zu besuchen. Als ich das Rad bei meinem Sturz leicht beschädigt hatte, fing er an zu weinen. Nun durfte ich nicht mehr damit fahren. Als ich ganz klein war, war er jahrelang nur der "Wäwäwä" bei mir. Er sagte immer "Wä wä wä" zu mir und wollte mich so sprechen lehren. Nun zu den alten Männern, die mich immer auf dem Weg in die Schule abfingen: Adam Schlösser wohnte in dem Haus, in dem heute Erwin Merg wohnt. Seine Tochter heiratete nach Kümbdchen den Cousin meines Vaters, Otto Konrad. Die zweite Tochter heiratete Otto Reinhard aus Hasselbach. Adams meist gebrauchter Ausspruch bei einem Gespräch war: "Sieh mol aahn!" Heinrich Stüber und seine Frau Katharina, die aus Bell stammte, wohnten ein Haus weiter über die Laubacher Straße. Er konnte so laut niesen, dass ich es über 100 m entfernt auf unserem Hof hören konnte. Recher Oma, die Helmut und ich immer ärgerten, starb mit etwa 75 Jahren kurz vor Beginn des Krieges. Helmut Engelmann begann nach seiner Schulzeit eine Lehre im Bahnbetriebswerk in Simmern. Dort wurden die Lokomotiven repariert. Um 1950 zog er nach Leverkusen, wo er einen guten Job bei den Bayer-Werken bekam. Er arbeitete sich hoch und wurde von der Firma nach Hamburg zu Agfa gesandt, die damals zu Bayer gehörten. Er baute dort ein großes Haus, hatte eine leitende Stellung. Als es mit Agfa in Hamburg nicht mehr so gut lief, verkaufte er sein Haus in Hamburg und kehrte in den Hauptsitz nach Leverkusen zurück. Dort baute er wieder ein Haus. Er heiratete eine Frau aus Leverkusen und hatte 2 Kinder. Doch leider ist er jetzt schon über 10 Jahre tot, er wurde nur etwas über 70. Seite 20 Lehrer Kley stammt aus der Gegend von Wetzlar. Er war ein guter Lehrer, bei dem wir viel lernten. Er war aber auch ein linientreuer Nationalsozialist. Wenn wir das "Heil Hitler!"-Sagen vergaßen, mussten wir uns oft bücken, um eine Tracht Prügel mit dem Stock zu empfangen. Eine Redensart mit Galgenhumor war bei uns: Die letzten Schläge, die wir gar nicht mehr haben wollten, hat er uns noch aufgenötigt. Seine Ehe blieb kinderlos. Er wurde 1941 eingezogen und kehrte nicht mehr aus dem Krieg zurück. Seite 22 Bännersch Ewald war 10 Jahre älter als ich. Er war der Sohn von Maria und Peter Stiehl. Sie wohnten dort, wo jetzt das Haus von Rolf Schatte steht. Peter stammte aus Bubach. Er war ein gutmütiger und mit allem zufriedener Zeitgenosse. Er betrieb seine kleine Landwirtschaft nach dem Motto: "Ich mach es als so, wie es mei Vadder aach gemach hott." Sie hatten im ganzen Dorf die mit Abstand magersten Kühe. Im Viehstall hatte man unten den gemauerten Trog für das feste Futter. Darüber war die Futterraufe, bei der unten und oben je eine lange Stange seitlich bis zu den Wänden ging. Die obere war etwa einen Meter von der Wand dahinter entfernt. Zwischen den beiden Stangen waren, im Abstand von ca. 30 cm, etwa 80 cm lange hölzerne Sprossen angebracht. Doch seit ich mich erinnern konnte, waren bei Peter Stiehl alle Sprossen kaputt oder fehlten inzwischen. Wir kleinen Jungs lachten immer ordentlich, wenn er den Klee oder das Heu mit Mühe über die obere Stange eingab und es dann doch nach unten in den Trog plumpste. Er sagte immer: "Das Sauerkraut schmeckt mir am dritten Tag noch besser als am ersten." Seine Frau Marie war auch eine gutmütige Frau. Sie hatte in ihrem großen Rock, der bis auf den Boden reichte, ein gewaltiges Hinterteil. Im Dorf sagte man immer, wenn jemand mit einem kräftigen Po gesegnet war: "Die hott in Arsch wie Bennersch Marie!" Sohn Ewald, der 1919 geboren wurde, war seit seiner Geburt stark übergewichtig, dazu geistig und körperlich behindert, aber trotzdem auf seine Art schlau. Er wusste alles, was im Dorf passierte. Er hinkte mehrere Male am Tag durch das Dorf und ärgerte alle Leute, die er sah. Wen er nicht leiden konnte, den brachte er bis zur Weißglut. Alle Kinder hatten Angst vor ihm. Er starb 1967 mit 48 Jahren. Peter Imig, der mich aus der Rummelkaul auflas, nachdem ich mit dem Rad von Humes Unkel gestürzt war, war damals etwa 60 Jahre alt. Er war der Opa von Amme Edda. Helmut Berg, der mich Radfahren lehrte, war der Bruder von Tilly Mayer. Er arbeitete bei der Post und hatte schon vor dem Krieg ein schweres 500er Ardie-Motorrad. Er heiratete etwa 1942 Dixe Frieda. Am Abend ihrer Hochzeit, an einem schwülen Sommerabend, als alles auf der Hochzeit war, nutzen Hermann Wickert und ich die Gelegenheit und kletterten auf Dixe Kirschbaum und stibitzten ein Eimerchen Kirschen. Von denen kochten wir uns mit dem letzten Zucker von Hermanns Mutter an Bäckersch einen guten Kirschbrei. Da es im Krieg ja fast nichts gab, war der Brei eine ganz besondere Delikatesse. Von Helmut und Hermann, die als nächstes in meinem Buch vorkommen, habe ich ja schon alles geschrieben. Ardie 500 Seite 27 Schullese Fritz aus Hasselbach, von dem wir den Handwagen bekamen, war Schmid und nebenbei auch Viehdoktor. Er war ein echtes Original. Aus allen Nachbardörfern wurde er gerufen, wenn einer eine kranke Kuh hatte. Manchmal konnte er helfen. Er verschrieb oft einen Tee oder ein Pülverchen. Einmal wurde er zu einem kranken Rind gerufen. Als er den Stall betrat, sagte er: "Ich sehe, was dem Tier fehlt. Welches ist es denn?" Einmal kam abends ein Geselle aus Hasselbach, als wir im Dorf beim "Maien" standen und fragte, ob wir den Opa nicht gesehen hätten. Ich sagte: "Heute Mittag war er an Königs, die ein krankes Pferd haben." Da fragte man mich, was denn das Pferd habe. Willi Schmitz, der Geselle, antwortete wie aus der Pistole geschossen: "Er hat was am Brustspitzengelenk, das hat Opa schon gesagt, als er von zu Hause los ging." Einmal, als er mit seiner Frau Meinungsverschiedenheiten hatte und sie einen Tag lang nichts mit ihm sprach, fing er an herumzukramen, als suche er etwas. Da herrschte sie ihn an: "Was suchst Du da?", und Fritz antwortete: "Äich suche däi Moul!" Sonst war Kattchen sehr gesprächig. Immer wenn jemand vorbei ging, war sie sofort am Küchenfenster, um ein Schwätzchen zu halten. Sie waren die Großeltern von Rudi Hilz. Seite 33 Etwas hatte ich in meinem Buch falsch geschrieben. Der Marx, der Emil Mallmann die Kuh verkauft hatte, stammte nicht aus Hundheim, sondern aus Krastel. Emil Mallmann, dem wir früher auch viel Vieh verkauften, war ein gemütlicher Typ. Er war mit nichts aus der Ruhe zu bringen. Er kam immer mit seinem Pfeifchen im Munde angeschlendert und hatte einen Witz oder Spruch auf Lager. Auf der anderen Seite war er aber auch ein Schlitzohr. Wenn einer im Dorf war, von dem er dachte, er könnte einen guten Handel mit ihm tätigen, dann schickte er dessen Kinder in die Kneipe, um eine Tasche mit Bier zu holen. Danach wurde der Handel getätigt. Beide Seiten meinten nachher, wie günstig sie abgeschnitten hätten. Wenn man Emil danach fragte, wie der Handel gewesen wäre, so antwortete er einem leise ins Ohr: "Datt war inn brave Mann!" Einmal war Emil der Spaßvogel an Glasersch in Hasselbach, wo die 90-jährige Oma noch lebte. Er fragte sie: "Lebt our Vadder noch?" Die Oma: "Nä!" - "Lebt our Mutter noch?" Die Oma: "Nä!" Darauf sagte Emil: " Ach, dann seid der jo ein Waisenkind!" Emil und seine Frau Katharina wohnten in Kastellaun im ersten Haus rechts von Hasselbach kommend. Emil war der Großonkel der Mallmanns-Buben aus Spesenroth. Seite 33 Peter Menk und Adam Menk waren Brüder. Sie sahen aus wie David und Goliath. Adam war ein Riesenkerl. Peter, der "krobbisch Menk", wie er überall im Dorf hieß, wog nicht mehr als einen Zentner. Dafür hatte er eines der größten Mundwerke im Dorf. Wenn er redete, kam kein anderer an die Reihe. Wenn jemand etwas sagen wollte, fiel er ihm gleich ins Wort. "Säi moh ruhig!" hieß es in jeder Unterhaltung dutzende Male von ihm. Sein Hauptthema war oft die Freimaurer-Sekte, obwohl er auch nichts Genaueres darüber wusste. Hölze Jakob nannte ihn "De klää Menk Fräimoul". Peter Menk im ersten Weltkrieg Peter Menk starb 1970 und wurde 90 Jahre alt. Die letzten Jahre seines Lebens lag er meist tagsüber auf der harten Küchenbank. Sie hatten 5 Kinder. Sohn Otto, der 1908 geboren wurde, heiratete mit etwa 40 Jahren Fritze Frieda aus dem Nachbarhaus. Sie stammte aus Bell und war bei ihrer Schwester "Fritze Katt" und Heinrich Stüber (der mit dem lauten Niesen) angenommen worden. Fritze Ott war ein Original. Jede freie Minute stand er bei der Kreuzung und spuckte, zur Erheiterung der um ihn herumstehenden Leute, immer große Reden. Da er in russischer Gefangenschaft war, war sein Hauptthema: "Die Russen kommen, bald sind sie da!" Außer den Russen waren auch die Hämmel seine Todfeinde. Wenn etwa eine Schafherde nach der Ernte auf den abgeernteten Wiesen und Getreidefeldern weidete, dann sah er rot. Um des zu erwarteten Gaudis willen wurde es ihm sofort gemeldet. Dann ließ er alles fallen und rannte sofort los, nachdem er sich auf die Schnelle Courage angetrunken hatte. Von weitem schon fing er an zu schreien, beschimpfte die Schäfer aufs übelste und versuchte die Schafe fortzujagen. Meist gelang dies aber nicht, weil er Angst vor den Hunden hatte und auch einmal von einem Schäfer verprügelt wurde, der sich zur Wehr setzte, wie mir neulich ein Michelbacher erzählte. Otto Menk Wenn Otto an der Kreuzstraße seine Reden schwang, sagte Nachbarsjunge Erwin Merg dazu: "Der Ott hat seine Schlauheit vom Briedeler!" Den Spruch hatte er wohl von seinem Vater gehört. Mit dem Briedeler meinten sie den Wein von Ewald Schneiders aus Briedel. Ewald war im Krieg als Soldat an Menke einquartiert. Viele Leute im Dorf bezogen damals den Wein von ihm. Otto Menk starb 1982 im Alter von 74 Jahren. Der Bruder vom "Klääne Menk" war Adam. Er war nach Unzenberg verheiratet. Seine Frau starb bei der Geburt ihres einzigen Sohnes Helmut. Danach zog Adam mit Helmut wieder in sein Elternhaus nach Alterkülz, wo er bis zu seinem Tod 1966 lebte. Er wurde 82 Jahre alt. Helmut Menk heiratete nach Laufersweiler. Helmut war es, den ich in Montabaur traf und der den abenteuerlichen Rückzug bis zur Gefangenschaft mitmachte. Dort wurden wir leider getrennt. Alles Weitere dazu steht ab Seite 153 in meinem Buch. Helmuts Vater Adam war eines der größten Originale, die je in Alterkülz gelebt haben. Im Sommer half er bei der Landwirtschaft seines Bruders mit, im Winter machte er Manne (Körbe) in ihrer gut geheizten Bosselstube. So eine Bosselstube hatte fast jeder im Dorf, sie war meist an die Scheune angebaut und von außen führte eine Treppe hinauf. Es waren zwei Mannemacher im Dorf. Außer Adam noch Hubberts Simon. Für uns Kinder war es immer ein besonderes Ereignis, wenn sie bis zu 8 Mannen auf dem Kopf zu ihren Auftraggebern trugen. Bei allen Veranstaltungen und Festlichkeiten trank Adam einen über den Durst. Dann machte er die ausgefallensten Sachen. Oft sang er bei voll besetzter Kneipe Lieder, die nicht ganz jugendfrei waren. Einmal meinte er in der Wirtschaft Mayer spät abends, er wäre zu Hause und fing an, sich auszuziehen, woran wir ihn dann doch mit aller Kraft hindern konnten. Er saß noch mit fast 70 Jahren mit uns Jüngeren zusammen, wobei es uns damals leider Spaß machte, ihn voll zu machen. Viele Male mussten wir ihn dann nachts nach Hause bringen, was nicht immer so ganz leise vonstattenging. Durch den Krach wurde oft der kleine Menk wach, der uns dann vom Schlafzimmerfenster aus ganz gewaltig beschimpfte, obwohl er ja froh sein konnte, dass wir Adam nach Hause brachten, sonst wäre er wohl irgendwo in der Kälte liegen geblieben. Es war etwa 1952, Kirmesmontag in Michelbach. Die Flurbereinigung (Zusammenlegung der Äcker und Wiesen) war im Gange. Jeder konnte seinen Kostenbeitrag dazu abverdienen und so ging jeder mit, der zu Hause abkömmlich war. Es wurden Bachläufe begradigt und in nassen Äckern Drainagen verlegt. Wir arbeiteten an diesem Tag an dem Sickerbach. Nach Feierabend machten wir Jüngeren uns mit unserem Vorarbeiter Heinrich Kuhn und dem etwa 70-jährigen Adam Menk auf den Weg nach Michelbach, wo am Kirmesmontagabend immer viel los war. Zuerst trafen wir dort Gerhard Brück, der mit uns allen befreundet war, weil er ja bei uns Fußball spielte. Er nahm uns mit nach Hause zu einigen Schnäpsen. Adam schmeckte der Schnaps besonders gut. Anschließend zogen wir ins gut besuchte Festzelt, in dem wir lautstark begrüßt wurden. Es wurde ein schöner Abend, an den wir uns noch bis heute gut erinnern. Adam spielte die Hauptrolle. Er war schon bald knüppelvoll, kannte viele ältere Frauen aus Michelbach und wollte mit jeder tanzen. Doch sie flohen alle vor ihm, da er ja schon einige Male den Boden aufgesucht hatte. Obwohl er die Zunge bald nicht mehr rund bekam, gab er noch viele Gesangseinlagen. Zu später Stunde meinte er schließlich wieder einmal, er wäre zu Hause und wollte zu Bett gehen, woran wir ihn, trotzdem auch wir genug getrunken hatten, einmal mehr hindern konnten. Zu später Stunde hatten wir Glück. Wilhelm Hack aus Alterkülz, der einen Kolonialwarenladen direkt neben der Firma Petry betrieb, nahm uns mit seinem Dreirad-Lieferwagen mit nach Hause. Adam war schon vorher eingeschlafen und wir mussten ihn so ins Auto tragen, in dem wir hinten zusammengepfercht saßen. Vor Säierts, Heinrichs Haus, machten wir halt. Wir mussten Heinrich, der weit über 50 war, in die Küche geleiten, da er nicht mehr alleine gehen konnte. Er hatte nicht mehr getrunken als wird, bei ihm galt aber meist das Sprichwort: "Einen getrunken und einen vor den Arsch, dann war er voll!" Seine Frau Gretchen nahm uns in Empfang, machte uns aber keine Vorwürfe, weil sie schon so etwas geahnt hatte, sie war vielmehr besorgt um Heinrich. Anschließend fuhren wir noch zu Hacks, um etwas gegen unseren Kater zu unternehmen. Wilhelm holte 5 Dosen Bratheringe und Brot aus seinem Laden. Wir aßen alle davon, außer Adam, der erst langsam aus seinem Rausch erwachte. Als er die leeren Bratheringdosen dann sah, setzte er sie an den Hals und trank die Brühe von allen 5 Dosen aus. Seite 40 Otto Bettendorf war ein Jahr jünger als ich. Er wohnte in dem Haus, in dem jetzt Ira Klingler wohnt. In den letzten Kriegsmonaten wurden ihre Scheune und die von den Nachbarn (Hackelches) von amerikanischen Jagdbombern in Brand geschossen. So besorgten sich diese beiden Familien in der Franzosenzeit nach dem Krieg Bimssteine im Tauschgeschäft, um ihr Anwesen wieder aufzubauen. Als Otto und sein Nachbar "das Steinbacher Kurtchen" das Auto mit Steinen beladen hatten, wurden sie von den Franzosen verhaftet, da Tauschgeschäfte verboten waren. Beide mussten über eine Woche im Knast sitzen. Nach Fürsprache der örtlichen Behörden kamen beide samt den Steinen wieder frei und sie konnten mit dem Wiederaufbau beginnen. In seinen jungen Jahren nach dem Krieg war er ein großes Original, von dem wir bis heute noch viele Anekdoten erzählen. Obwohl ihm von Geburt an im Rachen das Zäpfchen fehlte und seine Aussprache undeutlich war, tat das seiner Lautstärke keinen Abbruch. An den Wochenenden abends, als die Kneipen noch voll besetzt waren, übertönte er alles. Er konnte dann oft recht rüpelhaft werden. Er wusste von jedem etwas, egal wer es war. Er warf ihnen Dinge vor, die zwar meist stimmten, sich aber sonst keiner traute auszusprechen. Wenn er den Alkohol etwas spürte, rief er meist laut: "Jetzt trinke mer däne ohne geschluckt!" Dann nahm er ein großes Bier, schüttete es, ohne es abzusetzen, in sich hinein. Das konnte er, worauf er sehr stolz war, weil ihm eben dieses Zäpfchen im Hals fehlte. Überall, wo wir hinkamen, führte er es vor. Wenn wir zu später Stunde manchmal noch auf der Straße standen und quatschten, schrie er meist so laut, dass sich am nächsten Morgen die Nachbarn beschwerten, weil sie nicht schlafen konnten. Einmal ging er nachts durch das Dorf und schrie alle paar Meter: "Reutersch haben schwarz geschlachtet!" Dieses war ja streng verboten, aber jeder tat es. Vorher hatte er mit Erwin Reuter Knies gehabt. Immer, wenn er wegen eines Mädchens gehänselt wurde, sagte er: "Wenn it Bräi räänt, honn äich kä Leffel!" Otto, der ansonsten ein guter Kumpel und ein guter Arbeiter war, war ab 1959 (wie viele Alterkülzer) bei der Firma Wust angestellt. Nach einem Jahr wechselte er zu Petry Stahlbau, wo er 1961 durch einen Stromschlag ums Leben kam. Er wurde nur 31 Jahre alt. Ohne ihn war in Alterkülz nur noch die Hälfte los. Seite 39 Kaspersch Stuffel, der das Brausebad in der Schule heizte, war ein Bruder der ersten Frau von Jakob Meurer (der Opa von Jürgen Meurer). Er war ledig. Damals im Krieg war er etwa 70 Jahre alt. Er hatte einen großen Schnurrbart und hinkte etwas. Er kam fast jeden Abend an Bäckersch zum Maien. Seine Erzählungen waren dabei oft die gleichen, handelten meist von der Silberschmelz. Dort machte er Backwellen zum Heizen in Backhäusern oder zerkleinerte mit einem Spezialsteinhammer Steine für den Straßenbau. Jeder musste damals für den Feldwegebau entweder Steine liefern oder diese bezahlen. Dazu mussten Fronarbeiten beim Wegebau und beim Bäumchen pflanzen im Wald verrichtet werden. Ein großer Teil der Alterkülzer hatte damals kleine Parzellen auf der Schmelz, in denen man Steine brechen und Holz ernten konnte. Die Schürfrechte für den Erzabbau hatte damals die Aachener Blei- und Zinkgesellschaft. Kaspersch waren so eine Art Verwalter von ihnen. Das Bergwerk unter Tage erstreckte sich von der Schmelz bis in den Binnenberg. Wenn Stuffel an Bäckersch war und Hermann von Hitler schwärmte, platzte Stuffel fast vor Wut. Er rollte gewaltig mit den Augen und knurrte und räusperte vor sich hin. Er und Gietzens Marie waren die einzigen, die ich kannte, die damals öffentlich gegen Hitler eingestellt waren. Seite 40 Willi Schneider, der Haue von Lehrer Michaelis bezog, stammte aus der Wirtschaft auf der Überbach, die heute abgerissen ist (die Scheune daneben steht noch). In unserer Jugend waren wir viele Male dort. Die nicht sehr hohe Decke in der Wirtschaft wurde in der Mitte von einem Stahlträger gestützt. Daran machten wir fast immer Klimmzüge, so war dies also das erste "Fitness-Center" in Alterkülz. Im Hof war neben dem freistehenden Klo an der Scheunenwand eine Pinkelrinne aus Blech befestigt, deren Inhalt in die Jauchegrube lief. Nach dem Krieg bauten sie eine schöne große Wirtschaft in der Wehrergass, die später zu Wohnungen umgebaut wurde. Willi war mit uns Jugendlichen häufig zusammen. Auf der Hochzeit von Else und Kurt Böhm hatten wir Kumpels auf unserer Bude (die sich neben Recher in der ehemaligen Wachstube des Kriegsgefangenenlagers befand) ordentlich einen getrunken und beschlossen bei Böhms ein Ständchen zu bringen. Erhard Petry hatte ein Büchlein, in dem für solche Feste geeignete Aufführungen drin standen. Man brauchte dafür 5 Mann, wobei einer einen Schwarzen spielen musste. Willi meldete sich dafür. Also schmierten wir ihn bei uns in der Küche mit schwarzer Schuhwichse ein. Anschließend brachten wir ihn mit einer weichen Bürste auf Hochglanz. Nun zogen wir los. Doch oh weh, dem ersten fiel schon in der Huhl, kurz vor dem Ziel, das Essen aus dem Gesicht. Trotzdem wurden wir mit großem Hallo von der sich auch schon gut in Form befindlichen Hochzeitsgesellschaft empfangen. Unser Vortrag ging ziemlich daneben, was aber nicht besonders auffiel, da alle Anwesenden schon voll des süßen Weines waren. Uns wurde auch kräftig eingeschenkt, vor allem von Rudolf, dem Vater der Braut, der gut in Form war. Willi wurde dabei unter der schwarzen Farbe immer blasser. Wir mussten ihn nach Hause bringen und legten ihn in ihrer Wirtschaft auf eine Bank. Als Josef Gietzen und Wilhelm Monnerjahn morgens zur Arbeit gingen, es war noch dunkel, sahen sie in der Kneipe noch Licht, was um diese Uhrzeit natürlich ungewöhnlich war. Josef ging hin und schaute zum Fenster hinein. Er zuckte zurück und schrie: "Willem, do drin läit inn Näscha!" Durch das Geschrei wurde die ganze Nachbarschaft wach, auch die Eltern von Willi, die ihn dann ins Bett schafften. Hierüber wurde noch Jahre lang gelacht. Josef und Wilhelm waren so früh unterwegs, weil sie an der Schürfung für die neue Quelle der Wasserleitung arbeiteten. Das wurde damals in Tag- und Nachtschichten durchgeführt. Otto Heinz war ein Jahr älter als ich. In der Schule war er von uns allen meist der Beste. Da er auch in der H.J. Jungzugführer war, bekam er eine Stelle am Standort Kastellaun, wo er bis Kriegsende blieb. Er spielte auch mit uns in der Fußballmannschaft, bis er 20 Jahre alt war. Er betrieb eine kleine Landwirtschaft und war im Hauptberuf Verkaufsfahrer bei der Molkerei. Er heiratete Elfriede Keim aus Kludenbach. Sie hatten 4 Kinder, die alle auswärts verheiratet sind. Er war ein guter Kumpel. Bis zu seinem Tod 2011 (kurz vor seinem 83. Geburtstag) war er bei fast allen Geburtstagen bei mir morgens zugegen.
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